Im Januar 2019 hieß es für mich: “Koffer packen!”. Ein lang ersehnter Wunsch war plötzlich nur noch wenige Tage von mir entfernt. Bereits als Kind stand für mich fest, dass ich irgendwann einmal in ein Land Afrikas reisen und dort viele benachteiligte und in ärmeren Verhältnissen lebende Menschen unterstützen möchte. Ursprünglich wollte ich nach Südafrika – Kapstadt – reisen, um an Aids erkrankten Kindern zu helfen. Letztendlich sollte meine Reise dann aber doch nach Namibia gehen - was wohl die beste Entscheidung meines Lebens war. In den Vorbereitungen auf diese Reise hat mich Lena sehr gut begleitet und unterstützt, sodass ich keine Sorge haben brauchte, etwas vergessen oder nicht bedacht zu haben. Ich war mir dessen bewusst, dass dieser Aufenthalt in einem fremden, fernen Land und einer fremden Kultur etwas mit mir machen wird. Dass er bis heute mein Leben Grund auf verändern wird, damit habe ich jedoch nicht gerechnet.
Noch nie in meinem Leben zuvor habe ich mich auf etwas so gefreut, wie auf die anstehenden vier Monate in Afrika. Es war der 31.1.2019 als ich in Windhoek, der Hauptstadt Namibias, früh am Morgen ankam. Die Sonne war gerade aufgegangen und die warmen, orange-roten Farben am Himmel haben mich gleich in dieses Land verlieben lassen. Auf der Fahrt vom Flughafen ins noch Unbekannte und Ungewisse bin ich sofort begeistert gewesen von der landschaftlichen Weite dieses atemberaubend schönen Landes. Bewusst hatte ich mich dazu entschieden mir im Vorfeld nicht so viel über das Land anzuschauen oder anzulesen. Ich wollte meine eigenen, ganz unvoreingenommenen Erfahrungen mit dieser für mich absolut neuen Kultur, Mentalität und mit dem Leben in Namibia machen. Das einzige, das ich wusste, war, dass das Gästehaus “Wadadee House” nicht wie die meisten Gästehäuser in Windhoek in der Innenstadt liegt, sondern in Katutura, dem ehemaligen Township Windhoeks. Katutura heißt auf Otjiherero so viel wie: “Der Ort, an dem wir nicht leben wollen.” Als wir an meinem neuen Zuhause für die kommenden Monate angekommen sind, war ich dann mehr als positiv überrascht. Es ist wunderschön und der Ausblick vom Garten aus auf ganz Windhoek ist unbeschreiblich. Ich wurde von allen Menschen, egal ob den Nachbarn und damit Einheimischen, den anderen Volontären oder Lena und Shaun herzlichst willkommen geheißen und ich habe mich gleich als ein Teil der “Wadadee Familie” gefühlt.
Auf Grund meines bereits absolvierten Studiums der Sozialen Arbeit und Rehabilitationswissenschaften und der Tatsache, dass ich bereits seit ein paar Jahren fest im Berufsleben stehe, bat Lena mich darum, in den kommenden Monaten in ihr noch recht neues Herzensprojekt mit reinzugehen: dem von ihr selbst gegründeten Kinderheim “Home Inami”. Dort sollte ich die Hausmutter “Sheila” so gut es geht bei der Versorgung der dort lebenden Kinder unterstützen. Ich war dankbar für das Vertrauen, welches Lena mir schenkte, obwohl wir uns bis auf einen kurzen Kaffee in unserer gemeinsamen Heimatstadt Aachen noch nicht wirklich kannten. Gleich an meinem ersten Tag ging es für mich also ins “Home Inami”. Hier wurde ich freudig und mit offenen Armen empfangen und wusste von Sekunde eins an, dass es für mich verdammt schwer werden wird, diese liebenswürdigen Kinder, die teils bereits in ihren jungen Jahren heftige Schicksalsschläge erleiden mussten, in vier Monaten hier zurückzulassen. Im “Home Inami” lebten zu der Zeit acht Kinder im Alter von 5 bis 15 Jahren mit traumatischen Erlebnissen der vergangenen Jahre. Mein Tag im “Home Inami” begann meist damit, die Kinder nach dem Kindergarten oder der Schule zu Hause zu empfangen, das Essen zu verteilen und mit ihnen gemeinsam Mittag zu essen. Anschließend unterstütze ich die Schulkinder beim Erledigen der Hausaufgaben. In dieser Zeit konnte Sheila sich meist eine kleine Auszeit nehmen und sich mal zurückziehen, da sie ansonsten rund um die Uhr (alleine) für die Kinder da ist. Im Anschluss an die Hausaufgabenzeit war meist noch genug Raum und Zeit, um mit den Kindern zu spielen, zu basteln oder ihnen einfach nur zuzuhören. Es hat mich unglaublich berührt zu sehen, wie die Kinder sich untereinander unterstützen. Aus den acht Kindern, die aus vielen verschiedenen Ursprungsfamilien stammen, ist eine neue, liebevolle Familie entstanden, die füreinander da ist. Es herrscht ein liebevoller, warmer Umgang untereinander und im ganzen Haus herrscht eine friedliche Atmosphäre, ganz anders als ich es teils aus Kinder-Wohngruppen in Deutschland gewohnt war. Es ist selbstverständlich, dass insbesondere die größeren Sheila beim Kochen, Putzen und Waschen helfen. Aber auch die jüngeren Kinder packen so gut sie können mit an und helfen. Es dauerte nicht lange, bis ich die Kinder in mein Herz geschlossen hatte und auch sie sich mir anvertraut und geöffnet haben und ich als weitere Bezugsperson galt. Lena unterstützte mich in der Umsetzung all meiner Ideen. Nach einiger Zeit habe ich erfahren, dass ein Teil der Kinder noch nie das Meer gesehen hat. Also plante ich einen Tagesausflug nach Swakopmund ans Meer. Das Leuchten der Kinderaugen, als sie bei Eiseskälte ins Wasser rannten, mit den Wellen spielten und als Highlight noch eine kleine Delfinfamilie in unsere Bucht kam, werde ich wohl nie vergessen. Es sind einfach die kleinen Dinge des Lebens, die einen glücklich machen. Eine Aussage, die ich während meines gesamten Afrika-Aufenthalts immer wieder vor Augen geführt bekommen habe.
“Zuhause ist… wo die Liebe wohnt, Erinnerungen geboren werden, Freunde immer willkommen sind, Träume in Erfüllung gehen, Wärme & Herzlichkeit den Raum erfüllen und jederzeit ein Lächeln auf dich wartet.” Ich habe in Namibia ein weiteres Zuhause gefunden. Als es für mich Ende Mai zurück nach Deutschland ging, brach für mich zunächst eine Welt zusammen. Der wirkliche Kulturschock stand mir erst jetzt bevor - mit meiner Einreise zurück nach Deutschland. Es trat mir nicht mehr jeder meiner Nachbarschaft freundlich gegenüber, die Kassiererin quatschte nicht mehr nett mit mir an der Kasse - stattdessen konnte ich nicht schnell genug meinen Einkauf zusammenpacken. Die Menschen sind häufig gestresst und ich hatte das Gefühl, dass sie haben oftmals das Schöne des Lebens vergessen haben und den Blick nicht mehr auf die wesentlichen Dinge gerichtet haben, wie unter Anderem Liebe und Gesundheit. Ich fing an, vieles zu hinterfragen und beschloss nach noch nicht einmal sechs Wochen, für die Sommerferien zurück nach Namibia zu fliegen.
Durch Wadadee habe ich nicht nur die Möglichkeit gehabt wunderbare Menschen kennenzulernen, sondern auch tolle, begleitete Reisen zu machen und somit die atemberaubende Vielfalt des Landes zu entdecken. Auf den Reisen habe ich mich stets sicher und gut aufgehoben gefühlt. Es gab köstliches Essen und einfach wahnsinnig viel zu sehen. Heute, Ende des Jahres 2020, ist mein Herz noch immer in Namibia. Ich arbeite nach wie vor an einer Förderschule in der Kölner Innenstadt, lebe in einer schönen Wohnung mit einer tollen Mitbewohnerin und habe gute Freunde und eine liebende Familie. Trotzdem fehlt für mich oft etwas. Oftmals fehlt mir die Leichtigkeit dieses Landes, und mir fehlen vor allem die Menschen in Namibia, die ich in so kurzer Zeit so unfassbar lieben gelernt habe.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Wadadee Cares als Organisation bedanken, die mir von Anfang an ein gutes Gefühl vermittelt hat. Ich habe zu jedem Zeitpunkt (sowohl während der Vorbereitung als auch vor Ort) eine Ansprechperson gehabt, die mich in all meinen Vorhaben unterstützt hat und mir stets zur Seite stand. Als besonders wertvoll habe ich den individuellen und persönlichen Kontakt zur Organisation empfunden. Außerdem möchte ich mich bei den Menschen vor Ort bedanken, die zu Freunden wurden, die mir Einblicke in ihre Kultur gewährten und die die Zeit für mich so einzigartig gemacht haben. Und nicht zuletzt möchte ich mich bei Sheila und den Kindern bedanken, die mich ein Teil ihrer Familien werden ließen und die ich immer tief in meinem Herz tragen werde. Danke, dass ihr meine Zeit in Namibia so besonders gemacht habt! Ich werde sie immer in Erinnerung behalten und tief in meinem Herzen tragen! ♥